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dittmann0 05.10.2012

Sardinien 2011

Wegstrecke 5000 km
Länder/Regionen/
Wegpunkte
Deutschland Österreich Italien
Straßenart Autobahn, Landstraße
Tour-Motorrad YAMAHA BT 1100 BULL...
Schwierigkeit mittel
Schlagworte Sardinien


Sardinien 2011

Juli 2010
Stück für Stück fahre ich dem Alltag entgegen. 700 öde Kilometer auf der Autobahn liegen hinter mir. Nach ein paar Stunden fangen der Nacken und die Arme an zu schmerzen und der hintern sucht völlig losgelöst vom Bewusstsein ständig die günstigste Position. Ich stelle die Maschine auf den Ständer und falle fast runter, weil mein rechtes Bein an der Gepäck-rolle hängen bleibt. Der Motor glüht und knackt vom stundenlangen kilometerfressen. Kurze Stopps an den Tankstellen entlang des Weges mussten als Ruhepause reichen.
Jetzt stehe ich da. Keiner bemerkte meine Ankunft. selbst der Hund schien in der Hitze jedes Ge-räusch zu verdrängen .Ich schließe einen Augenblick die Augen und lasse mich für einen Moment von den Erlebnissen der vergangenen Tage in den Dolomiten und Frankreich einfangen. Mit jeder Faser meines Körpers spüre ich, alles andere als angekommen zu sein.Ich will wieder weg. Am besten gleich.
Eines steht ganz klar fest: das Ende des einen, stellt den Anfang des nächsten Urlaubes da.

Sardinien 2011
Die neue Tour beginnt so wie die letzte endete: auf der Autobahn. Kilometer für Kilometer treibt es mich zum Ziel. es ist ermüdend und doch muss konzentriert gefahren werden. Jede Böe kann einen ins Trudeln geraten lassen, mit jedem vergessenen Schulterblick riskiert man, die Motorhaube eines vierrädrigen Gefährt s zu zieren. aber ich genieße jeden Meter .Ich liebe das Fahren. Ich höre das Brummen und spüre das Vibrieren des Motors. Die Luft zieht an einem vorüber, pfeift am und im Helm. Die Nase erreicht alles ohne Umweg. Ich fühle mich frei und ja, es klingt wie ein tausendfach verwendetes Klischee. Motorradfahrern bedeutet für mich Freiheit, Lust am Leben, eine Mischung aus Adrenalin und Endorphinen. tatsächlich durchströmt mich immer wieder ein Glücksgefühl, real spürbar.
Es dauerte nur kurze Zeit, ehe das neue Ziel feststand. SARDINIEN In meiner Erinnerung bunkerte noch ein Bericht über diese wunderschöne Insel, der bereits damals die Neugier in mir weckte. Also ran an den Computer und Google. Schnell fand ich einen Hinweis auf einen Reiseführer über die schönsten Motorradtouren auf Sardinien. Noch am selben Abend orderte ich das Buch über Amazon und zwei Tage später lag es in meinem Briefkasten. Einmal durchblättern und Sardinien stand als nächstes Reiseziel endgültig fest. Dann las ich den Reiseführer in Ruhe. die Vorfreude stieg mit jeder Seite. Bereits im Januar buchte ich das Ticket für die Fähre von Livorno nach Olbia. Das perfekte Englisch meiner Tochter half bei der Reservierung eines Hotelzimmers unmittelbar am Hafen von Livorno. Jetzt hieß es warten!

10.06.2011
Scharfer Start. Das Motorrad ist gecheckt, neue Reifen zieren die Felgen. in den letzten Tagen arbeitete ich eine Liste ab, auf der die Dinge standen, die ich für die nächste Zeit benötige. Schnell noch einmal sämtliche Gurte festgezogen. los, los, los! Besser kann es nicht beginnen. die Sonne scheint. Es ist warm. Gleich wird sich zeigen, ob der Helm seinem Preis gerecht wird. Lüftungsklappen auf. Am Ende des Tages stehen 628 km mehr auf der Uhr. Mir pfeifen die Ohren, einfach unklar. Der Helm ist fantastisch, aber leider auch ziemlich laut. Irgendwo im Gepäck befindet sich noch Ohropax, das ich wohl Morgen einstöpseln werde. Erste Zwischenstation auf dem Bauernhof Jais in der Nähe von Tegernsee. In Bayern geht’s gottesfürchtig zu. Ein armer hölzerner Jesus hängt über meinem Bett. Drei Gipsengel lächeln mich von der Wand an und ein stoffüberzogenes Nachtischlämpchen sorgt für die romantische Stimmung. Was könnte Jesus wohl alles erzählen. Nach einem riesigen Holzfällersteak saß ich auf dem Balkon und wurde Zeuge eines grandiosen Sonnenunterganges. Abgesehen vom tinitusgleichen Geräusch in meinen Ohren fühle ich mich gut. Schade, dass die Lautstärke meines mp3 Players nicht gegen den Lärm im Helm ankommt.
Noch 150 km bis Innsbruck, Italien schon fast greifbar. Mit dieser Aussicht setzte ich meine Fahrt bei sonnigem Wetter fort. Zuvor verabschiedeten sich die Gastgeber mit einem exklusiven Frühstück, so wie ich es noch nie in einer Pension erlebte. Ein voller Tisch mit verschiedenen Brötchen, Brot, Wurst, Käse, Marmelade, Kaffee, Tee, Säfte, Sekt, Müsli, Rührei usw. Nachdem ich genudelt und mit einem zufriedenen Lächeln im Stuhl versunken das Geld zusammensuchte, stellte die Hausherrin noch rote Grütze und frisch zubereitete Eierkuchen auf den Tisch. Obwohl nichts mehr ging, schaffte ich es, den Teller auch noch leer zu bekommen, lecker, wie bei Muttern. Das heißt einiges. Irgendwann verfinsterte sich der Himmel. das sonore Brummen meines Zweiakters trieb die Wolken vor sich her und schließlich auseinander. Die Sonne stach endgültig durch. Was für ein Tag! Der Stress begann auf der Brennerautobahn. Gebaut in den sechziger Jahren handelt es sich um eine der ersten Gebirgsautobahnen der Welt. An der Mautstelle verhießen die vielen Autos nichts Gutes. Trotzdem rollte es erst einmal. Irgendwann holte mich die Realität ein. Megastau! Nichts ging mehr. Mir lief der Schweiß aus allen Poren. Die Textilkleidung für Motorradfahrer ist nicht wirklich at-mungsaktiv. So stand ich quasi unter Wasser. Unter meinem Helm kochte es. Der Motor strahlte eine bedenkliche Hitze ab. Mehrere Autofahrer erwischte es arg. Verzweifelt standen sie am Rand-streifen, die Motorhaube offen und sahen verzweifelt Dampf aus dem überkochten Motor aufstei-gen. Es stand alles still. Seit langem habe ich mich nicht mehr so über mich geärgert, wie am heuti-gen Tag. Ich Idiot wählte den direkten Weg in die Katastrophe, statt in Sterzing von der Autobahn abzufahren. Verdammt, warum habe ich nicht auf mein Bauchgefühl gehört. Mir war 100 m hinter der Ausfahrt klar, den falschen Weg gewählt zu haben. Weitere 900 m später grinsten mich die Bremslichter der vor mir Fahrenden schäbig an. Mist, keine Lücke, durch die ich mich schieben könnte. Mit den Koffern links und rechts bin ich nicht grad schmal gebaut. Nach fast zwei Stunden tauchte die nächste Abfahrt auf. Mittlerweile sorgte ich mich echt um meine Dogge, denn eine Luftkühlung funktioniert nun einmal nur bei voller Fahrt. Alle Wasservorräte liefen schon vor einer Stunde durch die trockene Kehle und zeitgleich als Schweiß wieder raus. So scheiße muss sich wohl ein Irrender in der Wüste fühlen. OK, Abfahrt runter und neu orientieren. Erst einmal Flüssigkeit tanken und gemütlich entlang der Passstraße cruisen. Fuck auf den schnellsten Weg. Die verlorene Zeit war nicht mehr aufzuholen. Später setzte ich den Blinker und rauf ging es auf die Autobahn in Richtung Verona, dann Modena und Bolognia. Gegen 20.00 Uhr nahm ich die Ausfahrt Richtung Maroni. Der Tacho zeigte mittlerweile 600 gefahrene Kilometer an, Müdigkeit schlich sich ein und es wurde Zeit, ein Nachtquartier zu finden. Zum ersten Mal in diesem Urlaub rollte ich auf einer schön geschwungenen Straße entlang, schöne Kurven, ganz entspannt zu fahren. Nur war mir mittlerweile nicht mehr danach. Kein Campingplatz, kein Hotel, kein Zimmer. Es war zum verzweifeln. Langsam kam die Nacht auf und mein getöntes Visier musste oben bleiben. Vermutlich aus lauter Hohn nahmen es Schwärme von kleinen Fliegen zum Anlass, den Freitod direkt in meinem Gesicht zu wählen. Den Zähesten gelang es, seitwärts in den Helm zu kriechen und für Bruchteile von Sekunden meine Aufmerksamkeit auf sie zu lenken. Mistviecher! Schließlich dockte ich in Poretta an. In der Stadt schien keiner zu schlafen. Es herrschte Hochbetrieb auf den Straßen. Vor den Bars und Cafés saßen Menschen zuhauf, redeten, gestikulierten, lachten. Nur mir gelang es just in diesem Augenblick nicht, es zu genießen. Schön-ein Hotel warb mit großen Lettern für sich, sah von außen aber gar nicht so beeindruckend aus. Nichts wie rangefahren, hinein und 30 Sekunden später wieder hinaus. Nein, ich war nicht bereit, 70,00 € für ein Zimmer auszugeben. Ihr könnt mich mal. Also wieder aufgestiegen, Schlüssel rum, Starterknopf gedrückt und ab. Keine fünf Minuten später nahm meine Unruhe zu. Neben der dunklen Nacht, den Fliegen und dem fehlenden Bett kam eine gelbe Lampe im Display hinzu. Ein klares Signal, den Zapfhahn in die Hand zu nehmen und den Tank vollzumachen. Wer noch nie in Italien unterwegs war, muss zu diesem Thema folgendes gesagt werden: Tanken in Italien und das auch noch in der Pampa kann zu einem Problem ausarten. Ich hatte keinen blassen Schimmer, wann die nächste Tanke auftaucht und selbst wenn, heißt das noch lange nicht, den so dringend benötigten Saft zu bekommen. Italiener sind wahnsinnig entgegenkommende Leute. Bis 18.00 Uhr kannst du ruhig sitzen bleiben, ein Tankwart ist immer da, der für dich nachfüllt und gleich kassiert. Danach wird’s schon mal schwierig. Die kleinen Tankstellen mit ein oder zwei Säulen machen gänzlich dicht. An den anderen warten die Tankautomaten. Wie oft ich an diesen Dingern schon geflucht habe. Das Procedere sieht so aus: Bike abstellen, Handschuhe aus, Tankrucksack abschnallen, an den Automat gehen, Geld aus der Börse ziehen und den gierigen Schlund füttern. Der nimmt natürlich nur Scheine. Also beginnen wir mal mit dem Fünfer, oh-der Schein wird ausgewürgt, zweiter Versuch mit einem Zehner, dann mit einem Zwanziger und jedes Mal dasselbe Ergebnis. Langsam wird mir das Ganze zu bunt, den Fünfziger bekommt das Scheißteil nicht, denn wechseln ist nicht angesagt. Ok, meistens klappt es aber und das Prinzip funktioniert. Was ich damit sagen möchte: Eine Tankstelle, gerade in der Nacht, rettet nicht unbedingt vor einem trockenen Tank. Mittlerweile setzte eine leichte Panik ein. Zwischen mir und Poretta lagen mittlerweile 30 km und immer noch nichts zu sehen. Es war eine pechschwarze Nacht. Ein Blick auf die Landkarte gab auch nichts her. An dieser Straße in den Bergen schien niemand zu wohnen. Mir kam es mittlerweile wie eine Verschwörung vor.
Plötzlich Licht. Ein einzeln stehendes Gebäude mitten in der Pampa. Klein, etwas versteckt ange-bracht, sah ich ein Schild. B&B! Kaum zu glauben. Mitte im Nirgendwo steht eine Kneipe, die auch noch Zimmer vermietet. Schon vor der Tür empfingen mich zwei alte Herren. Übernachten? Si, no Problema . Das wollte ich hören! Nach der Ungewissheit der letzten Stunden und den vielen Kilometern war ich echt breit. Es fehlte nicht viel, um den beiden Alten um den Hals zu fallen. Das nenne ich Herzlichkeit, eine Begrüßung, die in Deutschland eher nicht zur Regel gehört. Nichts wie rein in die Kneipe. Mittlerweile zeigte die Uhr viertelelf an. Es herrschte Radau, ein unheimliches Stimmengewirr. An ca. 10 Tischen verteilt, saßen Großfamilien-von Oma, Opa bis zum Baby und scheinbar gab es viel zu erzählen und das mit entsprechender Lautstärke, versehen mit dem nötigen Temperament der Südländer von Tischseite zu Tischseite. Ich fühlte mich sauwohl. Erst einmal mussten die Formalitäten erledigt werden und ja, no problema, für das Motorrad findet sich eine Unterstellmöglichkeit, später. Als zweites schleppte ich meine Sachen ins Zimmer, das sich als schlicht, aber mit allen erforderlichen Annehmlichkeiten ausgestattet, herausstellte. Fünf Minuten lag ich einfach nur auf dem Bett und starrte an die Decke, dann aber fix unter die Dusche, rein in andere Klamotten und ab ins Gewimmel. In der Kneipe waren nur an der Bar und an ein paar am Rande stehenden Tischen, Plätze frei. Die Lautstärke hatte um keinen Deut nachgelassen. Ich schaute auf die Karte, bestellte eine Pizza und einen Chianti. Zehn Minuten später stand Beides vor mir. Der dunkelrote Wein nahm meine Sinne in Anspruch. Ich genoss den ersten Schluck, lecker. Ehrlich, ich hatte es mir verdient. In diesem Moment war ich glücklich. Ich vermisste nichts und empfand die Rolle des stillen Beobachters als völlig ausreichend An diesem Abend brauchte ich nicht Mehr. Irgendwann schien es dem Koch gelungen zu sein, auch das letzte hungrige Maul zu stopfen Nun standen wir zu viert vor dem Haus. Die drei Italiener sprachen aufeinander ein, schienen etwas abzuwägen, von dem ich nichts verstand. Wie außerordentlich musste das Problem sein, dass man es so intensiv und voller Emotionen nachts um halb zwei darüber diskutieren muss. Also, auf dem Punkt gebracht. Die steile Abfahrt zur Garage runter in den Keller bereitete den Drei Sorgen (wirklich steil!). In Folge schufen der Koch und ich in einer Wellblechgarage Platz, rangierten die Maschine inmitten von Feuerholz für den Winter und dem Hackklotz ein. Tür zu, Pfahl drunter. Gute Nacht! Am Morgen weckte mich, die durch die Fensterläden scheinende, Sonne. Die Anzeige auf dem Handy verriet mir, fast acht Stunden am Stück geschlafen zu haben. Ich trat auf die riesige Terrasse. Die Wärme um diese Zeit ließ ahnen, dass die Temperaturen wieder im Grenzbereich des Erträglichen liegen werden. Aber ich mag es so. Zum Frühstück standen ein Cappuccino und zwei Croissants auf dem Programm. Schnell das Bike satteln, alles fest vergurtet, nochmals kontrollieren und winkend verabschiedeten wir voneinander. In der nächsten Stadt, so der Wirt, befindet sich die nächste Tankstelle. Es ging leicht bergab, das Bike rollte die Straße fast von allein hinab und direkt an die nächste self made Tankstelle. Man war ich froh. Die Anspannung fiel von mir ab. Viel Spielraum hätte ich nicht mehr gehabt, denn es befand sich grad noch ein knapper Liter im Tank.
Wie geht’s heute weiter? Meine Entscheidung stand fest. Viele Straßen führen nach Livorno. Ich entschied mich für die Kleinen. In Folge muss man damit rechnen, das ein oder andere Verkehrsschild nicht zu sehen zu bekommen. Es kam wie es kommen musste. Ein Mal nicht aufgepasst und schon fand ich mich auf der Autobahn nach Florenz wieder. Das darf doch nicht wahr sein! Die Sprüche unterm Helm waren nicht jugendfrei! Zwei Euro später fuhr ich wieder ab und fand mich zum zweiten Mal an diesem Tag im Zentrum von Monticatini Terme wieder. Wie der Name es schon verrät, handelt es sich um eine Kurstadt, die mit ihren Thermen zu den besten Italiens gehört. Zweiter Anlauf! ich Depp vergeige es fast wieder. Erst in letzter Sekunde sah ich das Hinweisschild nach Lucca und Livorno. Also doppelt aufpassen.
Jetzt bekam ich auch noch die Gelegenheit, meine Regenjacke auszuprobieren. Ergebnis: Test mit Bravour bestanden. Nur eine Stunde später verpackte ich das Teil wieder im Tankrucksack. Die Sonne schien mit der gewohnten Hitze herab.
Ich ritt in Livorno ein. Als Niederlassung zählte Livorno 1551 grade einmal 748 Einwohner. Ein paar Jahrhunderte und Kriege später, leben heute ca. 160.000 Menschen in der Stadt. Nicht zuletzt trug der strategisch gut gelegene Hafen, der zu den größten Italiens zählt, dazu bei.
Mein Navi leistete hervorragende Arbeit und dirigierte mich in die Altstadt. Nur einmal verfahren und schon stand ich vor der Tür des B&B „Limbarco“. Beim Anblick der Außenfassade fiel es mir schwer, auf ein vernünftiges Zimmer zu hoffen. Na gut, erst einmal drei Stockwerke hinauf und klingeln. Nichts passiert. Lass das nicht wahr sein. Ich will einfach nur raus aus der Sonne, mich auspellen und die Altstadt erkunden. Stattdessen stehe ich vor verschlossener Tür. Es bleibt noch das Telefon. Tatsächlich geht jemand am anderen Ende der Leitung ran, eine Frau. Nur leider spricht sie noch schlechter Englisch als ich. Sie scheint mich nicht zu verstehen und ich kann nur Vermutungen aus dem Gehörten ableiten. Sie verabschiedet sich mit: uno Moment, der ca. 10 Minuten dauerte. Jetzt rief der Ehemann an. Die Antwort auf meine Frage, wann ich mein Zimmer beziehen könne, fiel für mich nicht unbedingt befriedigend aus. Ich fand es eher ärgerlich, noch drei Stunden warten zu müssen. Mir blieb keine andere Wahl, als mein Zeug zusammenzupacken und das nächstbeste Cafe zu suchen. Später begrüßte mich eine gutaussehende Italienerin und entschuldigte allein mit ihrem Aussehen, den für mich ein Stück weit verkorksten Nachmittag. Wieder einmal das Gepäck hochschleppen, die Pelle ablegen, duschen, in die lockeren Klamotten rein und ab auf die Piste. Zuallererst schaute ich mir den Hafen an, der tatsächlich in fünf Minuten per Fuß zu erreichen ist. Klasse, mit dem Motorrad werde ich mich morgen regelrecht in die Fähre beamen.
Ganz in der Nähe befindet sich der Stadtteil „Venezia Nova“ , sozusagen ein Venedig in Kleinstformat, allein die Gondoliere fehlen. Die Festungsanlagen „Fortezza Vecchia“ und “ Fortezza Nuova“ liegen direkt am Hafen. Mitten in der Altstadt befindet sich der Dom. Auf den davor befindlichen Stufen lässt es sich gut sitzen und dem Treiben auf dem Platze zuzuschauen. Es gibt wohl noch weitere Sehenswürdigkeiten. Eine Klosteranlage „Santuario di Montenero“, die Domikanerkirche und anderes mehr.
Gegen neun fand ich gegenüber dem Dom eine kleine Pizzeria und schloss den Abend mit einer Calzone und Wein ab. Es schmeckte.
In Livorno erlebte ich erneut diese liebenswerte Mentalität der Italiener, die ich, egal wo, immer wieder erlebe, auch abseits der Touristenhochburgen. Ich behaupte, dass das nicht eine Masche der Menschen ist, sondern ein Stück weit ihre Lebensart. Die Altstadt von Livorno ist sehenswert, auf wenn sie mich nicht direkt vom Hocker riss.
Um fünf Uhr morgens verkündete mein Handy im Sprachmodus: „Zeit aufzustehen. Es ist fünf Uhr. – Zeit aufzustehen. Es ist fünf Uhr“. Zweimal die Augen gerieben, einmal durchgestreckt – raus aus den Federn!
Die Fähre legt um acht ab. Auf dem Ticket findet sich der Hinweis, dass der Check in um sieben abgeschlossen wird. Also lieber etwas eher da sein. Die Taschen schleppte ich zügig hinunter, trank noch einen ekligen Automatenkaffee und setzte mich in Bewegung.
Kein Auto an der Einfahrt zum Hafen zu sehen. Gestern noch sprach ich mit dem Personal an der Schranke, die mir bescheinigten, eben an dieser Stelle morgen reinzufahren. OK, mich erwartete kein Problem. Der Mann an der Schranke erklärte mir, wo ich die offizielle Zufahrt finde. Mir blieb ausreichend Zeit, um den einen Kilometer dorthin zu fahren. Vorausgesetzt das Bike springt an. Tat es aber nicht. Das darf doch nicht wahr sein. Alles Probieren und Nachschauen brachte nichts. Ich spüre, wie mir heiß wird. Mir gehen alle erdenklichen Szenarien durch den Kopf. Schaffe ich die Fähre? Was tun, wenn nicht? Allerdings hörte ich ein Geräusch, das ich lieber nicht hören wollte. Andererseits wusste ich in diesem Moment, woran das Vorwärtskommen scheiterte. Ganz schlicht und ergreifend: Die Batterie ist alle, kein Saft mehr da. Ob Anschieben hilft? Einfach versuchen. Der Security Mann steht schon parat. Leider verweigern 300 Kilo schon mal die Mitwirkung. Trotz der angenehmen morgendlichen Temperatur begann ich spätestens jetzt zu schwitzen.
Starter Kit, das muss die Lösung sein. Hilfsbereit ordert der Sicherheitsmann einen Kollegen, der prompt erscheint und das Beste gibt. Nichts. Es passiert einfach nichts. Ich sehe meine Felle davon schwimmen. Wie soll ich jetzt an eine Batterie kommen? Fällt die Fahrt nach Olbia für mich heute aus? Als ob der Sicherheitsmann meine Gedanken lesen könnte, legte er seine Pranke auf meine Schulter und sagte: „No problem, take your bike, go to the corner, then change to the ride side and behind the bar is place.“
Dankbar schaue ich den Typen an. Fürs erste bin ich gerettet. In Olbia werde ich einen Händler fin-den, mit dem ich das Problem lösen werde. Nach zweihundert Metern drücke ich den Starterknopf. Die Karre springt an. Was war das denn, bitte schön? Mein Adrenalienspiegel befand sich immer noch im oberen Bereich. Zeit Endorphine auszuschütten. Na klar, beim Versuch die Batterie mit dem Starter Kit wiederzubeleben, lag noch der erste Gang drin. Logisch, da reagiert bei keinem Motorrad der Anlasser.
Nach 500 Metern reihte ich mich unmittelbar neben ein paar österreichischen Bikern ein, die die ganze Nacht durchgefahren waren, um die Fähre zu erwischen. Hinter uns stand eine ganze Armada von LKWs, Wohnwagen, Wohnmobilen und Autos. Durch den „seitlichen Beitritt“ fehlten mir noch die erforderlichen Papiere. So ging es per pedes zurück. Erst nach anderthalb Kilometern stieß ich auf die Einweiser, bei denen ich schließlich eincheckte und mit den nötigen Aufkleber und Stempel ausgestattet, zurückkehrte. Zumindest für uns Motorradfahrer sehe ich die Zweistundenfrist nicht als wirklich bindend an, wenn man bedenkt, dass wir gegen viertelacht als Erste auf die Fähre fuhren. Aber: fünf nach Acht legte die Fähre ab! Es folgten acht ermüdende Stunden auf der spiegelglatten See. An mir ging spätestens jetzt ein Kreuzschiffurlauber verloren. Mich reizte diese Art Urlaub ohnehin noch nie. Dieser unsägliche Massentourismus. In einer Reportage wurde über das Leben auf einem Kreuzfahrtschiff berichtet. Ich fand das ziemlich skurriel und beängstigend, nichts für mich.
Dann tauchte Olbia aus dem Dunst, der zwischenzeitlich aufgezogen war, auf. Endlich! Sardinien! Der Traum der letzten Monate lag zum Greifen vor mir. Dazwischen lag allerdings das Löschen der Ladung. Wir Motorradfahrer verließen das Schiff in umgekehrter Reihenfolge, das heißt, eine ordentliche Ladung Abgase zu schlucken. Doch dann: das erste Mal auf sardischem Boden. Eine fantastische Stimmung lag in der Luft. Vor Freude lachte ich in den Helm, fühlte mich großartig und voller Vorfreude auf die nächsten Tage.
Die Batterie sollte durch eine Neue ersetzt werden. Mir erschien das Risiko, deswegen in den Bergen liegen zu bleiben, als zu hoch. An einer Tankstelle telefonierte der Pächter einen Mitarbeiter aus dem naheliegenden Autohaus heran. Der konnte deutsch. Ein paar Telefonate später schrieb er mir eine Adresse auf, dort fände ich Hilfe. Das nenne ich Klasse. Danke an den Unbekannten, der ohne großes Aufsehens weiterhalf! Dank meines Navi fand ich das Motorradgeschäft. Die Tür zum Laden war geschlossen. Ein Zettel mit einem Pfeil hing an der Scheibe. Um die Ecke ging es in den Keller. Die Einfahrt hin